Der Weg durch das das Arp Museum Bahnhof Rolandseck ist einzigartig, überraschend und – ja, auch ein bisschen verwirrend. Doch dieses Buch wird dich sicher durch die Tunnel und Schächte, in das Bergwerk und auf den Berg führen.
Es erklärt dir die Architektur von Richard Meier und plötzlich ist Weiß nicht mehr Weiß. Es stellt dir Sophie Taeuber-Arp vor und spielt ein bisschen Theater. Es macht dich mit Hans Arp und seinem Nabel bekannt. Es führt dich in Gustav Raus Schatzkammer und weckt deine Sammelleidenschaft. Und wenn du denkst, du hast alles gesehen, lässt es dich am Fenster noch einmal staunen!
Immer mehr Museen kümmern sich intensiv darum, die Kinder ins Museum zu holen, bieten Workshops, Kinderführungen oder wie das Museum Ludwig sogar einen eigens eingerichtetes ART LAB an. Auch das Arp Museum Bahnhof Rolandseck bietet ein vielfältiges Programm an, das die Kinder, inspiriert von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, aber auch von den Themen der Jahresausstellungen, basteln, bauen, drucken, collagieren, zeichnen aber auch dada-dichten lässt. Schon länger wünschte sich Annette Krapp, die derzeitige Leiterin der Kunstvermittlung, einen Kinderführer für das Museum, fand Unterstützung bei Museumsdirektor Oliver Kornhoff und konnte die notwendigen Mittel zur Umsetzung akquirieren.
Auch bei mir stieß sie auf große Begeisterung, nicht, weil ich denke, dass Kinder notwendigerweise alle ihre Nachmittage und Wochenenden im Museum verbringen sollten, sondern weil es um das Arp Museum ging, bei dem sich die natürliche Abwehrreaktion der Kinder gegen elterlich verordnetes Kulturprogramm spätestens im zweiten Tunnel vollkommen verflüchtigt hat und von großer Entdeckerfreude abgelöst wird. Man muss die Kinder also kaum mehr überreden – das Museum selbst, Architektur und Kunst sind überzeugend genug. Den Kuchen-mit-Aussicht auf der wunderbaren Terrasse des historischen Bahnhofs haben sich sowieso alle verdient.
Auf 64 Seiten entdecken nun „Sophie & Hans, Richard, Gustav und du!“ das Museum. Mit den Hauspatronen Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp, dem Architekten Richard Meier und dem Sammler Gustav Rau sind wir per Du und widmen jedem von ihnen ein Kapitel.
Richard Meier hat das Museum gebaut
Bahnhof, Bergwerk, Burg – so lässt sich die Idee des Museums aufs Kürzeste zusammenfassen. Doch der Weg vom Bahnhof bis oben auf den Berg ist voller Überraschungen: Tunnel, Treppen, Schächten, eine Schatzkammer, eine Stimme aus dem Nichts, ein Drachenbaby spielt vor dem Fenster und an der Decke leuchtet die Schlange Kaa. Dieser architektonische Spaziergang, der vor die Kunst noch einen wunderbaren Ausblick über das Rheintal stellt, ist kein Zirkus, nicht animiert und vollkommen analog. Die einzigen beiden Knöpfe, die es hier zu drücken gibt, sind die des Aufzugs – vielleicht ist es das, was den Besuch so überzeugend macht. Wie Richard das Museum entworfen hat, erklärt der Kinderführer, wie man von unten nach oben kommt und warum alles Weiß ist. Er bietet aber auch Platz für die Dokumentation des eigenen Architekturspaziergangs – wer sagt denn, dass jeder unterwegs das gleiche sieht? – und einen Schnittplan für eine kleine Meierei, das winzigste Museum der Welt.
Sophie Taeuber-Arp ließ die Punkte tanzen
Sophie hat soviel gemacht, sie hat gewebt, gestickt, gezeichnet, gemalt, genäht, Kostüme und Bühnenbilder entworfen und auch getanzt. Hier taucht zwar auch mal so ein Begriffe auf wie „geometrische Abstraktion“ und „konkrete Kunst“, um ihr Schaffen zu beschreiben, aber wer weiß, wo man damit noch einmal irgendwann punkten kann. Hier tauchen dann auch noch zwei weitere Protagonisten auf, König Hirsch und der Papagei, die nicht nur den Kinderführer bespielen, sondern als Hampelmänner das Kinderzimmer schmücken können. Viele der Zeichenspiele und Basteleien können und sollen sogar vor Ort im Museum gemacht werden. Benötigtes Material, Schere, Stifte, Kleber kann man an der Kasse ausleihen.
Hans Arp spielte mit Worten und Bildern
Auch das Werk von Hans ist unglaublich vielfältig, erschließt sich jedoch mit seiner Dada-Logik den Kindern manchmal schneller als den Eltern. Wichtigstes Utensil, da Schlüssel zu seinem Werk ist hier der Nabel. Als Nabelmonokel in verschiedenen Größen zum Ausschneiden im Buch, als Wort oder kleine Skulptur. Auch hier wieder zeigen wir keine Angst vor schwierigen Worten und wagen uns an „Konstellationen“ und „Metamorphosen“. Und dann etwas, das vor allem die Lektorin schockierte: Die Zufalls-Zerrupf- und-Verschmier-Collage. Was bei Hans als Unglück wegen eines undichten Daches begann, wird hier zur Aufgabe. Schmiere die Seite im Buch voll mit Kleister und lasse die Schnipsel einer alten Zeichnung ganz zufällig darauf fallen. Wenn sie zufällig nicht schön gelandet sind, kannst du (denn das hat Hans auch gemacht) noch richtig schön zufällig hinschieben. Wenn du das Buch zuklappst, bevor der Kleister trocken ist, gibt es sogar noch eine vollkommen zufällige Sandwich-Collage, denn die Seiten gehen nie wieder freiwillig auseinander.
Sophie, Hans und ihre Freunde
Kunst zu machen war für das Künstlerpaar Arp kein nine-to-five-Job, egal was sie machten, ihre Kunst und ihr Leben waren eins. Es gibt Duo-Arbeiten der beiden, aber auch viele sehr kuriose Fotos und Produkte von Zeichenspielen, an denen ihre Freunde (man kennt sie: Tristan Tzara, Hugo Ball, Max Ernst u.a.) beteiligt waren. Zu sehen sind die Ergebnisse im Museum, im Kinderführer ist alles zum Nachmachen und Ausprobieren vorbereitet.
Gustav Rau sammelte Kunst und half Kindern
Und plötzlich stand die Frage im Raum, ob wir denn Gustav Rau einfach so beim Vornamen nennen dürfen. Gestellt hatte sie eine Dame bei Unicef, der wir das Manuskript vor der Veröffentlichung vorgelegt hatten. Ob das nicht ein wenig respektlos sei, denn immerhin habe Dr. Dr. Gustav Rau dem Kinderhilfswerk eine einzigartige Kunstsammlung hinterlassen, damit in seinem Sinne auch nach seinem Tod Kindern in Not geholfen werden könne? Das ließ sich dann doch schnell klären, denn Gustav wird wie alle anderen Personen im Kinderführer mit einem Steckbrief in angemessener Form vorgestellt. Und ebenso seine einzigartige Sammlung, die der Kinderarzt mit großer Fachkenntnis und ebenso großer Leidenschaft angelegt hat, und die nun in der Kunstkammer Rau in wechselnden thematisch ganz unterschiedlichen Ausstellungen präsentiert wird. Und weil alle Kinder naturgegeben Sammler sind, finden sie im Buch eine Anleitung, wie sie eine eigene Sammlung (von Muscheln, Nabeln oder Milchstraßentränen) fast professionell anlegen können.
Das AAH! und OOH! am Fenster
Aus dem Dunkel des Aufzugsschachts nach oben katapultiert, muss man einfach am Fenster stehen und entweder Aah! oder Ooh! oder vielleicht sogar beides machen. Die Rheinromantik, die dem Museum die bestmögliche Kulisse bietet, ist hier erstaunlich wild und unverbaut. So dass man irgendwie immer darauf wartet, dass die Loreley ihr Lied anstimmt, Ritter Roland seine Hildegard aus dem Kloster Nonnenwerth befreit oder der Drache aus seiner Höhle am gegenüberliegenden Drachenfels nicht wenigstens ein kleines Feuerchen spuckt. Irgendwie passt es alles, die großen Fenster des Museums und die Geschichte des Ortes, die mit dem Bahnhof begann, der damals noch in dicke Schwaden der Dampfloks gehüllt, bei Künstlern, Dichtern, Musikern und Malern sowie den wohlhabenden Kölner als attraktives Reiseziel galt.
Am Sonntag, dem 15. Dezember 2015 wird „Sophie & Hans, Richard, Gustav und du!“ bei dem Familienfest im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, das im Rahmen des Kinder-Lesefestes Käp’n Book stattfindet, vorgestellt. Wer Lust hat, kann dann zwischen 11 und 17 Uhr mit mir Sachen aus dem Buch ausprobieren und sich Autorenlesungen anhören. Auch dafür ist das Museum ein wunderbare Bühne – und, da Familienfest ist, ist der Eintritt kostenlos.
Der Kinderführer ist ab 15. November 2015 für 9,80 € im Shop des Arp Museums Bahnhof Rolandseck erhältlich.