Einst sollte hier eine Art Elbphilharmonie für die Kunst entstehen, eine provokant balancierende Kiste auf einem alten Silo. Aber das überspannte Projekt für die Duisburger Küppersmühle scheiterte an schlecht verarbeitetem Stahl. Herzog & de Meuron blieben dem Projekt jedoch verbunden, und ihr zweiter, letztlich weitaus überzeugender Entwurf konnte schließlich umgesetzt werden. Vor wenigen Tagen wurde ihre Erweiterung für das Museum Küppersmühle eröffnet.
Nun sind Herzog & de Meuron (Basel) mit ihrem Erweiterungsbau für das MKM Museum Küppersmühle am Duisburger Innenhafen also doch am Boden geblieben. Für Aufregung hatte die 2008 vorgestellte Idee einer von den historischen Silos hochgestemmten, transluzent leuchtenden Kunstbox gesorgt. Doch dieser Kraftakt blieb den Duisburgern erspart. Das mangelhaft hergestellte Stahlskelett kam nie auf die Höhe und die damalige Besitzerin des denkmalgeschützten Mühlenkomplexes, die städtische Wohnungsbaugesellschaft GEBAG, verkaufte schließlich das in ihrem Portfolio fremde Kulturprojekt an Sylvia und Ulrich Ströher. Die beiden besitzen mit über 2.000 Werken eine der umfangreichsten privaten Sammlungen deutscher Nachkriegskunst und waren bereits als Sponsoren an der gescheiterten Erweiterung beteiligt.
Für den Neustart gründete das Sammler-Ehepaar die MKM Stiftung und wagte einen weiteren Aufschlag mit den Basler Architekten. Diese kannten den Ort und den Bestand schließlich sehr genau, denn bereits 1997 hatten sie auf Initiative des Duisburger Sammlers Hans Grothe die backsteinernen Mühlen- und Speichergebäude zu einem Museum für moderne Kunst umgebaut und damit die Transformation des Innenhafens vorangetrieben. Als Architekten und Sammler 2013 wieder zusammenkamen, hatte sich der RUHR.2010-Hype, der wohl 2008 die ganz große Geste befeuerte, gelegt. Alle Beteiligten fokussierten nun auf einen Bau mit einer angemessenen Haltung, der vor allem der Kunst gerecht werden sollte. Platz für die Erweiterung fand sich am Kopf des charakteristischen Konglomerats, dessen Abschluss die markanten Stahlsilos gebildet hatten. Ein Spickel, so Jacques Herzog über die verfügbare Restfläche, denn auf der anderen Seite galt es, 40 Meter Abstand zu der dort vorbeirauschenden A59 einzuhalten, was den Gebäudekopf schräg beschneidet. Das lässt zwei dreieckige Ergänzungen entstehen, was im Grundriss eben an das Motiv der Spickelung in der Heraldik erinnert.
Der Erweiterungsbau mit 5.000 Quadratmetern Bruttogrundfläche, davon 2.900 Quadratmeter für Ausstellungen, besteht aus drei Elementen: zwei viergeschossige Quader unterschiedlicher Tiefe und Breite für die neuen Ausstellungssäle und einem Kopfstück aus besagten Dreiecken für alle untergeordneten Nutzungen. Nähert man sich dem Komplex von der Stadt oder der gegenüberliegenden Seite des Hafenbeckens, beeindruckt die Kontinuität. Nichts schreit hier „Größer! Neuer! Besser!“, denn es bleibt beim Backstein, alles wird eins, ganz solide. Jeder Schritt dichter heran zeigt dann, wie virtuos Herzog & de Meuron mit den wenigen Mitteln, die sie vorgefunden und weiterentwickelt haben, umgegangen sind. Die gesamte Erweiterung hat eine bis auf wenige Fensterschlitze geschlossene Ziegelfassade mit vielen Nuancen des einen Materials, die der Hülle Substanz verleihen.
Die drei Bauteile unterscheidet ihre – konzeptionell, nicht dekorativ bedingte – Textur. Strenge Lisenen dort, wo die Ausstellungsräume liegen, darauf bündig eine Krone, ihre Zacken geformt aus den Einschnitten der Oberlichter des Großen Saals. Die Haut des Kopfstücks erhält durch die diagonal vermauerten, gebrochenen Steine eine fast textile Anmutung. In der Höhe wird hier der programmatische Ansatz der Architektur einmal deutlich kommuniziert: KÜPPERSMÜHLE steht dort eingemauert, nicht aufgesetzt. Mehr braucht es nicht, es bleibt bei dem, was war: Materialität, Höhe, Name.
Erschlossen wird die Erweiterung über den Altbau, dazwischen sitzen die Silos als Scharnier. Sechs davon wurden aus ihrer Mitte entfernt, zwei zu Durchgängen gemacht, wo schmale Stege in der Höhe und ein Wald massiver Stützen auf dem Grund Alt und Neu zusammenführen. Hier soll die Substanz gesehen werden, eine künstlerische Bespielung ist möglich. Die 35 neuen Ausstellungsräume dagegen ordnen sich der Kunst vollkommen unter, saubere white cubes in unterschiedlichen Größen für kleine oder große Werke. Schmale Schlitze die Türen und Fenster in den massiven Wänden, letztere Zugeständnisse an die Menschen, die Kunst brauche das nicht, so Herzog.
Im dem kleineren der beiden Spickel gibt es noch eine Neuauflage des prominenten Treppenhauses von 1997, dessen organische Rundungen in Ziegelrot gefärbtem Beton eine wohltuend warme Körperlichkeit ausstrahlen. Dem Museum hat diese Rolle rückwärts sehr gutgetan, Herzog & de Meuron, sonst Meister großer Sprünge, haben sie mit eleganter Souveränität ausgeführt.
Dieser Beitrag erschien am 27.9.2021 im BauNetz