Ende 2017 muss das Römisch-Germanische-Museum wegen dringend notwendiger Sanierungsarbeiten geschlossen werden. Genaue Planungen gibt es noch nicht, auch keinen Architekten, der damit beauftragt wäre, doch die Verwaltung hat für die anstehenden Maßnahmen einen Zeitraum von sechs Jahren und vier Monaten veranschlagt. Und das ist erst einmal sehr abstrakt gerechnet. Da die Sanierung und ebentuelle Umbauten jedoch unmittelbar von der Entscheidung zur Historischen Mitte abhängig sind, bleiben derzeit noch viele Fragen offen, während Politik und Verwaltung sich gegenseitig dafür verantwortlich machen ohne verbindliche Antworten zu geben.
Besuchern, die das Museum, das sich heute quasi noch im Originalzustand von 1974 befindet, sehen möchten, empfiehlt es sich also, dies in den kommenden vier Monaten zu tun. Danach bleibt bestenfalls der Blick von der Domplatte auf das Dionysos-Mosaik, mit dessen Auffindung dort alles begonnen hatte.
Sehnsucht nach Stadtgeschichte
Mitten im Zweiten Weltkrieg wurde bei Ausschachtungsarbeiten für einen Luftschutzbunker am Südportal des Domes ein über 70 Quadratmeter großes Mosaik mit zahlreichen Darstellungen aus der Mythologie des Fruchtbarkeitsgottes entdeckt, das einst den Speisesaal eines römischen Peristyl-Hauses geziert hatte. Das sogenannte Dionysos-Mosaik wurde zu einer Attraktion, die trotz des Krieges tausende Menschen anzog, die Schlange standen, um die Fundstelle zu besichtigen. Nur wenige Monate nach Kriegsende wurde aus der Römischen und Germanischen Abteilung des Wallraf-Richartz-Museums und dem Museum für Vor- und Frühgeschichte das Römisch-Germanische Museum gegründet. Zunächst blieb es ohne eigenes Haus, bezog 1961 provisorisch den Dombunker, während die Stadt im folgenden Jahr den Wettbewerb für einen Neubau auslobte. Dieser sollte direkt am Fundort des Dionysos-Mosaiks, zu Füßen des Doms und damit im Zentrum der von Rudolf Schwarz konzeptionierten Hochstadt errichtet werden.
Öffentliche Räume
Auch wenn die Neugestaltung der Domplätze schon im Gespräch war, eine konkrete städtebauliche Lösung gab es Anfang der 60er Jahre noch nicht. Dennoch hatte die Hohe Domkirche selbst die Südseite des Roncalliplatzes mit dem Kurienhaus (Architekt Bernhard Rotterdam und Dombaumeister Willy Weyres) markiert, der Neubau des Römisch-Germanischen Museums sollte dann die zum Rhein hin offene Ostseite besetzen.
Die Braunschweiger Architekten Heinz Röcke und Klaus Renner gewannen den Wettbewerb mit einem aus heutiger Sicht fast unheimlich modernen Bau. Der himmelstrebenden gotischen Domfassade setzten sie zwei flache, orthogonale Baukörper entgegen, den Museumsbau und ein kleineres, mit einem schmalen Steg angebundenes Studienhaus. Was sich in der Ansicht so ortsfremd generierte, fußte jedoch sehr solide im Raster des römischen Straßennetzes. Wer auf einem Quadrat plant, der möchte ein Solitär, doch der Grundriss des Museums entwickelten sich aus dem Vorbild des römischen Peristyls, einem säulenumstandenen Hof, der sich, um das Gebäude zur Stadt zu öffnen, nach außen kehrt. So liegt nun das verglaste Erdgeschoss des Museums eingerückt hinter einem umlaufenden Säulenkranz, die Domplatte wird zum Hof und steinerne Fundstücke bespielen die Arkaden. Diese leiten und locken die Besucher in eine Passage, die das Museum aus der Mitte heraus vollkommen schwellenlos erschließt. Das glatte, mit Granitplatten verkleidete Obergeschoss scheint trotz seiner steinernen Schwere zu schweben, sein einziger Schmuck sind die prägnanten roten Lettern des Namenszugs.
Freie Rundgänge
Die großzügig dimensionierte Passage richtet das Museum wie den nach Osten aus und inszeniert die Blickachse von der Domplatte über eine Terrasse auf den Rhein – eine Aussicht, die mit dem Bau des Museum Ludwig verstellt wurde. Kompakt wirkt der Bau und überrascht doch immer wieder mit großer Offenheit. Schon von außen können Passanten einen Blick auf die in der offenen Treppenhalle platzieren Schaustücke werfen, auf das im Untergeschoss liegende Dionysos-Mosaik und das zweieinhalb Geschosse hohe Poblicius Grabmal. Das Obergeschoss ist als Großraum geplant, der im Rahmen des von dem damaligen Direktor Hugo Borger entwickeltes Konzeptes erstmals einen freien Rundgang zwischen antiken Architekturfragmenten, Sockelinseln aus Tuffstein und lockeren Gruppierungen schlanken Vitrinen erlaubte. Belichtet wird er – hier wieder ein Zitat aus der Baugeschichte – über ein Atrium, das dem, der den Blick steil nach oben richtet, ein Stückchen Dom zeigt. Das kleinere Studiengebäude steht ein wenig abgerückt vom Roncalliplatz, zwischen beiden Häusern verläuft die römische Hafenstraße, das Straßenniveau verspringt, es wird enger, altstädtischer. Hier, wie auch auf der Domseite, wo die verbleibende Gasse nur wenige Meter breit ist, wird man als Passant quasi gezwungen, sich mit dem Ort, mit seiner Geschichte auseinandersetzen. Schon sehr früh hat das Römisch-Germanische Museum den öffentlichen Raum genutzt, sein Haus als Schaufenster in die Römerzeit geöffnet und damit vieles vorweg genommen, das in den letzten Jahren zur Regeneration des Domumfeldes diskutiert wurde. Doch Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanische Museums, ist besorgt um sein Haus und dessen Nachbarschaft. Die Umgestaltung der Domumgebung hat er nicht nur als Anrainer und Museum begleitet, sondern auch als Bodendenkmalpfleger, da alles was dort geschehen ist, Eingriffe in den historischen Boden erforderte.
Der Archäologe Dr. Marcus Trier ist seit September 2012 Direktor des Römisch-Germanisches Museums und der Archäologischen Bodendenkmalpflege
Ihr Standort auf der Domplatte ist ungewöhnlich – ist das Römisch-Germanische Museum hier immer noch richtig platziert?
MT| Es gibt keinen besseren Standort! Diese Stadt hat zwei Herzen, das Rathaus und den Dom. Unser Standort neben dem Dom und über dem Fundort des Dionysos-Mosaiks, ist einzigartig und in seiner Qualität nicht zu übertreffen. Die Verbindung der Stadtgeschichte mit dem Dom ist so herausragend, dass sie nahelegt, auch das Stadtmuseum dort zu positionieren. Wir decken den Zeitraum von der Altsteinzeit bis zur römischen und frühmittelalterlichen Stadtgeschichte ab, dann übernähme das Stadtmuseum den Staffelstab. Das ist der Grundgedanke der Historischen Mitte. Wir sind jedoch in diesen Prozess unter der Prämisse gestartet, dass das Römisch-Germanische Museum als architektonisches Solitär in seinem Grundgedanken unantastbar ist.
Wie sieht die Zukunft Ihres Hauses aus?
MT| Bisher haben wir nur einen sechs Jahre alten Generalsanierungsbeschluss über 18,3 Millionen Euro. Damals ging es allein um die Raumlufttechnik und um die Neukonzeption der Tragwerksplanung, was natürlich vollkommen unzureichend war. Im Rahmen der Planungen für die Historische Mitte wurde auch die Generalsanierung des Hauses noch einmal neu gerechnet und der Betrag erhöhte sich auf 34,5 bis 41,7 Millionen Euro – das bedarf natürlich eines neuen Ratsbeschlusses. Allerdings muss man dazu wissen, dass die Generalsanierung nie im Zweifel stand, während die Realisierung der Historischen Mitte noch keineswegs gesichert ist. Die Schließung des Museums Ende 2017 steht jedoch unabhängig davon an, weil die Raumlufttechnik, der Brandschutz und all das, was jeden modernen Bau in die Knie zwingt, nach dem 31.Dezember nicht mehr zulässig sind.
Seit Ende letzten Jahres steht das Museum unter Denkmalschutz. Was bedeutet das für Sie?
MT| Ich finde die sachliche Architektur dieses schmucklosen Baus wirklich großartig – nur in seinem Zustand ist er unbefriedigend. Wenn Sie sich Fotografien aus der Zeit kurz nach der Eröffnung im Jahr 1974 ansehen, werden Sie ganz andere Qualitäten erkennen. Damals, ohne das Museum Ludwig, erlaubte die Passage den Durchblick auf den Rhein und die historische Hohenzollernbrücke. Auch wenn das Haus als architektonische Institution für uns unantastbar ist, meint das nicht, dass wir den Durchgang nicht geschlossen sehen wollen, denn zum einen werden wir der Probleme nicht mehr Herr, die das derzeitigen Verhalten vieler Menschen mit sich bringt, und zum anderen bieten sich damit Möglichkeiten, das Museum ins 21. Jahrhundert zu führen. Die Servicebereiche, Sanitäranlagen, Schülergarderoben, ein moderner Museumsshop und – sollte die Historische Mitte nicht realisiert werden – eine Gastronomie können wir nur ein- und umbauen, wenn wir im Erdgeschoss mehr Platz haben. Der Gedanke der Schließung des Durchgangs im Sinne einer Erweiterung des Erdgeschosses ist im Übrigen gar nicht neu. Ich habe im letzten Jahr lange mit Herrn Klaus Renner, einem der beiden inzwischen über 80jährigen Architekten, zusammen gesessen und erfahren, dass schon in den 80er Jahren darüber nachgedacht und vorsichtig skizziert wurde.
Nach wie vor sind wir aber nicht nur von der Außenhülle des Gebäudes vollkommen überzeugt, sondern auch von der musealen Konzeption, die ja ausdrücklich auch Teil der Unterschutzstellung ist. Und deshalb werden wir im Sinne einer ‚fortgeschriebenen Kontinuität‘ auch daran festhalten. Der freibestimmte Rundgang durch das Haus, in dem sich Themenblöcke aus Sockelinseln und Vitrinenlandschaften erschließen, ist im In- und Ausland vielfach kopiert worden – auch bei den neuesten Überlegungen in Berlin finden wir uns wieder.
Was können Sie als Museum für den öffentlichen Raum tun und welche Forderungen stellt der öffentliche Raum an Sie?
MT| Die Arkaden wie auch die Passage wurden von Beginn an als Bestandteil der Ausstellungsfläche geplant und genutzt. Sollte die Passage geschlossen werden, dann nur mit Glaswänden, um die kommunikativen Blickachsen aufrecht zu erhalten. Wenn wir die Traufen wegen der sozialen Probleme darunter aufgäben, würde das Haus seine architektonische Qualität, seinen leichten, fast schwebenden Charakter sofort verlieren und zu einem dicken Klotz werden. Es wird ein transparentes, offenes Haus bleiben.
Wie waren Sie als Bodendenkmalpflege und Anrainer auch an dem Verfahren zur Gestaltung des Kurt-Hackenberg-Platzes beteiligt?
MT| Wir waren an den Workshops beteiligt, da wir nicht nur als Anrainer, sondern auch als Amt für Bodendenkmalpflege in dieses Verfahren eingebettet waren und zudem auch die historische Topografie dieses Bereich kennen. Der moderne Kurt-Hackenberg-Platz, der ein „Produkt“ des Wiederaufbaus nach 1945 und keine historische Freifläche ist, liegt in der ehemaligen erzbischöflichen Immunität, die sozusagen die erzbischöfliche Stadt innerhalb der mittelalterlichen Stadt war. Darüber wissen wir auch archäologisch und stadtbaugeschichtlich eine ganze Menge.
Man spricht inzwischen gerne von einem Paradiesgarten, der dort entstehen wird.
MT| Ja, auf die historische Ortsbezeichnung „Pardies“ habe ich im Zuge des Workshops hingewiesen habe. An der Stelle der heutigen Bischofsgartenstraße lag im Mittelalter der historische Lust- und Schießgarten des Erzbischofs. Der Begriff „Paradies“, von dem die Quellen berichten, passt, wie ich finde, sehr schön zu den städtebaulichen Planungen des Büros Vogt. Da die Neuplanungen für den Kurt-Hackenberg-Platzeine möglichst unmöblierte Fläche vorsehen, wird dort ein ursprünglich geplantes gläsernes Häuschen mit einem Treppenabgang zu dem bei der U-Bahn-Archäologie freigelegten römischen Hafentor nicht realisiert. In dem Bereich unter dem Platz hatten wir vor einigen Jahren einen aufregenden Befund freigelegt: ein 12 Meter langes Stück Stadtmauer mit Hafentor, das im 4. Jahrhundert zugemauert wurde und darüber Reste des erzbischöfliches Wohnhauses aus dem 12. Jahrhundert. Diese Funde konnten wir auf der Basis eines Ratsbeschlusses dauerhaft erhalten, indem nur das Fundament zurückgebaut worden ist und der gesamte aufgehende Bereich, der etwa 5 bis 6 Meter hoch ist, auf der Decke der U-Bahnröhre stehen geblieben sind. Der Zugang zu diesem europaweit einzigartigen Fundkomplex erfolgt zunächst temporär. Eine befriedigende und dauerhafte Lösung wird hoffentlich über Historische Mitte bzw. die Generalsanierung des Museums gelingen.
Die Spuren der Stadtgeschichte sind in Köln zwar allgegenwärtig, nur manchmal vielleicht auch etwas hinderlich?
MT| Köln ist stolz auf seine Geschichte, aber Geschichte ist genauso aufregend wie anstrengend. Doch sie ist auch ein Alleinstellungsmerkmal. Köln ist die einzige Millionenstadt Deutschlands mit einer 2000jährigen Stadtgeschichte – davon können Hamburg, Berlin und München nur träumen. Wir wollen als Bodendenkmalpflege die Stadtentwicklung gleichwohl nicht unmöglich machen, wir sind Teil des Gesamten. Wir erfahren hier in Köln generell eine extrem hohe Akzeptanz unserer Arbeit. Das Interesse der Menschen an der Antike ist oft überwältigend!
Uta Winterhager