Als der Entwurf von Allmann Sattler Wappner sich 2002 in der zweiten Runde des Werkstattverfahrens Dionysoshof/Baptisterium gegen Rem Koolhaas durchsetzen konnte, wussten weder das Münchner Büro noch die Verantwortlichen bei der Stadt Köln, dass es noch 15 Jahre dauern sollte, bis alles ein gutes Ende nehmen sollte. Doch vielleicht ahnten sie es, denn der bearbeitete Bereich der östlichen Domumgebung ist bei genauerer Betrachtung mehr als nur eine Schnittstelle, so vieles kommt hier zusammen, das nicht zusammenkommen mag. Christliches und Weltliches, Oben und Unten, Verkehr und Kunst, Geschichte und Gegenwart, Autos und Fahrräder, Vandalismus und Weltkulturerbe, Lärm und der Wunsch nach Stille. Und damit ist sicher noch nicht alles genannt, doch es zeigt, wie schwierig es war, an dieser Stelle in der Stadt zu bauen, auch wenn eine Verbesserung dringend Not tat.
Geben und Nehmen
Zunächst fehlte der Stadt das Geld und das ambitionierte Projekt ruhte Jahre, wurde 2009 technisch überarbeitet und dennoch wurde der Fördermittelantrag für das Investitionsprogramm Nationale UNESCO-Welterbestätten vom BMVBS abgelehnt. Doch die Ablehnung enthielt auch einen Hinweis darauf, es im folgenden Jahr mit einem städtebaulichen Gesamtkonzept für die Domumgebung noch einmal zu versuchen. Und damit wurde es kompliziert, denn auch in der lokalen Planerszene lehnten viele das Konzept ab. Klärung und Einigung sollte ein von Peter Zlonicky moderiertes Beteiligungsverfahren bringen. Über drei Monate saßen dann die Vertreter von Stadt und Dom, die Direktoren und Intendanten der anliegenden Kulturinstitutionen, die Architekten und – für den Ausgang nicht unwesentlich – auch die Architekten des Museum Ludwig-Philharmonie-Komplexes Peter Busmann und Godfrid Haberer und Christian Schaller, der Sohn des Domplattenarchitekten Fritz Schaller. Allmann Sattler Wappner waren nicht mit einem extravaganten Entwurf aufgetreten, eher im Gegenteil, ihren Ansatz zeichnete eine ungewöhnliche Rigorosität aus, mit der sie Substanz wegnahmen, statt viel zu bauen. Doch die Kanten, die sie in dieser frühen Phase damit erzeugt hatten, erschienen vielen zu harsch, sie wünschten sich, dass an dieser Stelle nicht die Härte der Domplatte, sondern die weiche Topografie des historischen Domhügels ersichtlich würde. Und es wurde um Flächen gefeilscht, denn mit jedem Meter, den der Tunnel, der durch die Überbauung der Straße Am Domhof mit dem Museum Ludwig entstanden ist, gekürzt wird, reduziert sich auch die Platzfläche oben. Jeder verteidigte hier sein Terrain, sein Urheberrecht, seine Ehre und Ludwig Wappner gesteht, dass er sich in dieser Phase des Verfahrens zu oft wie ein kleiner Schulbub behandelt fühlte. Der konstruktive Ansatz, den Peter Busmann mit in das Verfahren brachte war, die Straße von vier auf zwei Fahrspuren zu reduzieren und sie mit den Radwegen zwischen die Stützen zu legen, so dass zu beiden Seiten breite Fußgängerboulevards entstehen würden. Dass dies funktionieren würde, glaubte zunächst niemand, doch wegen einer Baustelle am Kurt-Hackenberg-Platz wurde der Verkehr im Tunnel auf zwei Spuren reduziert und die Praxis zeigte, dass es nur an Weihnachten etwas eng wurde. Mit dieser Maßnahme bot sich Allmann Sattler Wappner nun deutlich mehr Raum, den Tunnel, der nach der Beschneidung mit einer Länge von 79,70 Metern eigentlich auch formal gar kein Tunnel mehr ist, mit einem kulturellen Mehrwert zu gestalten.
Räume und Wände
Viele kleine und große Entscheidungen sind in diesem Prozess diskutiert worden, das von Allmann Sattler Wappner daraus entwickelte Gesamtkonzept, das auch den Bereich auf der Bahnhofsseite, und zwei weiter umfasst, wurde 2010 schließlich im Plenum abgesegnet und dann doch von der UNESCO anteilig gefördert. Wichtig, und da sind sich wohl alle Teilnehmer einig gewesen, war, dass sämtliche Flächen, die den Raum auf dem unteren Niveau flankieren, eindeutig zuzuordnen sein müssen. Relativ eindeutig war die Situation in den Bahnbögen unter Gleis 1, hier wurde die Abbruchkante anthrazitfarben verkleidet und knüpft an die von Busmann Haberer in den 70er Jahren geplanten Bahnüberdachungen an, darunter soll eine Gastronomie Passanten zum Bleiben ermutigen. Mit dem Abbruch der Platte wurde der Sockel des Werkstattgebäudes des Museum Ludwig freigelegt. Er wurde nun wie das Museum mit rotem Ziegel verkleidet, so dass das Museum an dieser Stelle eine deutliche Erdung erfährt. An dieser Wand setzt eine großzügige Treppe aus Sichtbeton an, sie genau auf den Eingang des Museums führt. Auch sie wurde auf besonderen Wunsch des damaligen Direktors Kasper König sozusagen als Entschädigung für die verlorene Platzfläche hinzugefügt. Die Untersicht der Überbauung ist rein weiß, auch tagsüber wird sie angestrahlt, um Angst hier gar nicht mehr aufkommen zu lassen. Die weiße Verkleidung zeigt sich auch am Sturz des Tunnelmundes und hängt auf der Museumsseite wie ein Tischtuch herunter. Hier, wo sich alle eigentlich eine durchgehende Medienwand gewünscht hätten, blieb aus finanziellen Gründen ein Medienband, das, wenn die Monitore montiert sind, Museum Ludwig und Philharmonie bespielen werden. Der Domsockel, dessen krude Betonkante nie ein würdiges Ambiente entstehen ließ, ist nun durchgehend mit Nagelfluh verkleidet. Während Schaller die äußere Schicht glatt schalen ließ, nahm er mit einer starken vertikalen Struktur der inneren Schale Bezug auf den Dom. Heute sind beide Schalen glatt, doch wo an der Biegung zum Bahnhof die Treppe mit großem Schwung und großer Geste nach oben führt, kann man den Verlauf von Höhenlinien erahnen, die wie gewünscht die nun sanftere Topografie des Domhügels nachzeichnen. Doch der Domhügel in seiner modernen Auslegung ist funktional, er ist begehbar und kommunikativ, im Bereich der Überbauung und auf der dem Bahnhof zugesandten Seite wurden tiefe Schaudepots angebaut, die die Dombauhütte und das Römisch-Germanische Museum nutzen werden, um auch hier unten Präsenz zu zeigen. Es ist eine durchaus freundliche Geste, die Passage nicht mit einer geschossenen Wand, sondern mit Inhalten, Ortsbezug zu gestalten, wirklich lebendig wird der Ort dadurch aber noch nicht.
Licht und Schatten
Das Baptisterium, das älteste bauliche Zeugnis frühen Christentums in Köln, wurde über Jahrzehnte vernachlässigt, in seiner Höhle unter der Domplatte fast vergessen. Kaum jemand, der Gutes vorhatte, verirrte sich noch dort herunter, so schlimm wurde es zeitweilig, dass die Stadt den Hof mit einer Betonplombe verschloss. Nun liegt der Eingang frei im Domsockel vor der Überbauung, doch gut geschützt hinter einem Tor aus Bronzeguss. Davor steht, provokant und ein wenig im Weg, der bronzene Dionysos (Hans Karl Burgeff ,1973). Die Piscina, das achteckige Taufbecken liegt geborgen, aber einsehbar an seinem Fundort. Der Raum ist bis an die Öffnung zur Straße mit gefalteten Goldbronzeplatten, die an die Vorhänge des historischen Baptisteriums erinnern, ausgekleidet. Fast könnte man diesen Ort im Trubel der Stadt übersehen, doch sobald es dunkler wird, fallen Lichter durch das Gitter auf den Fußweg. Die „zwei, drei Szenen für das Baptisterium“ hat der Künstler Mischa Kuball entworfen und lässt hier endlich etwas passieren, dem man sich nur schwer entziehen kann. Was kann die Kunst für den öffentlichen Raum tun, diese Frage muss man an einem Ort wie diesem, wo sie so etabliert und so geballt auftritt, fragen, und sie dann zu einem Werkzeug zu machen.
Die Stadt Köln und alle Beteiligten wollten sich den öffentlichen raum der östlichen Domumgebung zurückholen, der ihnen über die Jahre entglitten war. Viele haben daran mitgewirkt, dass die an dieser Schnittstelle aufeinander treffenden Kräfte nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander wirken.
Nur einem Phänomen stehen sie alle ein wenig machtlos entgegen, sie können diejenigen, die für die Atmosphäre eines Ortes nicht empfänglich sind, nicht umerziehen. Vielleicht sind es weniger geworden, die sich nun ausgerechnet hier erleichtern müssen, aber darüber sieht man den der Welt leicht entrücken Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ektase immer noch ein wenig schmunzeln.
Peter Zlonitzky | Es ist zwar scheinbar nur eine kleine Lösung, doch schon die hat allen Beteiligten viel abgefordert. Jeder sollte sich in seinem Anliegen ernst genommen fühlen und dennoch bereit sein einen Schritt zurückzutreten, um auf das gemeinsame Große zu schauen. Das ist der eigentliche Erfolg des Verfahrens.
Uta Winterhager
Der Beitrag erschien zunächst in Bauwelt 15 | 2017 „Das Wunder von Köln“