Montes Benedictus amabat – der heilige Benedikt liebte die Berge. Und dort gründete er seine Klöster, erhaben, mit Weitsicht und Gott ein Stück näher. Je nach landschaftlichen Gegebenheiten genügte denBenediktinern auch ein kleiner Berg wie der Michaelsberg, ein 40 Meter hoher Basalttuffkegel, der das geologische Ende des Rheinischen Berglandes markiert. Rund 800 Jahre lebten die Benediktiner in der von Erzbischof Anno gegründeten Abtei auf dem Michaelsberg. Ihr Wirken, ihr Aufstieg und Niedergang war eng verbunden der Stadt Siegburg, die zu ihren Füßen heranwuchs. Und es ist eine bewegte Geschichte, die auch an den Gebäuden der Abtei Spuren hinterlassen hat. Die auch heute noch weithin sichtbare, von der Kirche gekrönte barocke Anlage wurde nach dem Krieg aus Trümmern wieder aufgebaut. Zeitweilig wurde sie als Kaserne, Irrenanstalt und Zuchthaus, Lazarett und bis 2011 schließlich doch wieder als Kloster genutzt. Eines jedoch hat sich in all dieser Zeit nie verändert, die Abtei auf dem Michaelsberg ist ein eindrucksvolles Wahrzeichen mit einer Strahlkraft, die sich sämtliche Nutzer zu eigen gemacht haben.
Das geistige Zentrum auf dem Michaelsberg
Anfang 2017 wurde der langen Geschichte nun ein weiteres Kapitel hinzugefügt. In die sanierte und erweiterte Abtei zog im Februar das bis dahin in Bad Honnef ansässige Katholisch-Soziale Institut KSI mit rund 75 Mitarbeitern ein. Die 1947 von Kardinal Frings als „Stätte der Erwachsenen-Weiterbildung auf der Grundlage der katholischen Soziallehre“ gegründete Einrichtung des Erzbistums Köln wuchs in seinem Sinne weiter und empfängt inzwischen jedes Jahr auf etwa 400 Veranstaltungen rund 21.000 Besucher. Doch bis aus dem Kloster ein hochmodernes Tagungszentrum mit Hotel, Restaurant und Konferenzsälen wurde, sind fünf Jahre vergangen. 2012 hatte das Erzbistum Köln einen Architektenwettbewerb mit acht eingeladenen Teilnehmern ausgelobt, um für die Transformation des denkmalgeschützten Gebäudes einen angemessenen Entwurf zu finden. Preisträger des Wettbewerbs wurde das Kölner Büro msm meyer schmitz-morkramer, das nachfolgend auch mit der Umsetzung beauftragt wurde.
Überzeugen konnten die Architekten die Jury, die unter Vorsitz des Kölner Architekten Kaspar Kraemer getagt hat, mit einem strengen und schlichten Entwurf, der scheinbare Gegensätze wie Tradition und Fortschritt, Historie und Zukunft, Teilnahme und Rückzug verbindet und den Neubau so harmonisch in das Gesamtbild aus Landschaft und Baudenkmal einfügt, dass sich an der bekannten Silhouette der Abtei nichts ändert.
In die Höhe und in die Tiefe
Besucher sehen den Michaelsberg meist schon von Ferne aus dem flachen Umland aufragen, das letzte Stück des Weges führt aus der Siegburger Innenstadt direkt auf den neuen Vorplatz. Von hier aus betrachtet sitzt die imposante Abtei immer noch gut 17 Meter höher auf mächtigen mittelalterlichen Stützmauern. Sozusagen zu ihren Füßen steht nun zwar eigenständig, aber dennoch untergeordnet, der Neubau des Forums. Der Stadt wendet er seine schmale Kopfseite zu. Doch nicht nur mit dem Bild von Berg, Fels und Stein haben sich die Architekten intensiv auseinander gesetzt, sondern auch mit ihren speziellen Materialeigenschaften. Denn wer auf Fels baut, der baut zwar prinzipiell sicher, muss jedoch aufwendig gründen. 90 bis zu 15 Meter tiefe Bohrpfähle wurden parallel zum Westflügel der Abtei in den Fels eingelassen, um den Boden für den Neubau zu bereiten und den Bestand zu schützen. Davon sieht man heute natürlich nichts mehr. Und doch scheint der Neubau direkt aus dem Fels zu wachsen, seine Hülle aus hellgrau-sandfarbenem Wachenzeller Dolomit, der im Sockel zunächst eine rohe gespaltene, dann als Gebäudehülle eine glatte geschliffene Oberfläche zeigt, knüpft direkt an die Topografie des Ortes an, möchte kein Fremdkörper sein. Und so verschwinden auch die Autos der Mitarbeiter und Besucher in einer zweigeschossigen Garage im Sockel des Gebäudes, der Platz davor greift historische Elemente wie den Rosengarten in seiner Gestaltung auf.
Doch anders als der wehrhafte Sockel der Abtei öffnet sich die steinerne Basis des Neubaus mit einer wie ins Massiv eingeschnitten wirkenden Eingangshalle. Die letzten Höhenmeter dürfen die Besucher mit einer Fahrt im Glasaufzug überwinden, die – und so viel Schau ist an dieser Stelle durchaus gerechtfertigt – in einem ebenfalls gläsernen Pavillon endet und die Sicht auf die Stadt, bis nach Bonn und auf das Siebengebirge freigibt. Sehr deutlich haben msm die Fuge zwischen den beiden Baukörpern, dem neugebauten Forum und der historischen Abtei, die sie als respektvolle Distanz beschreiben inszeniert. Die Trennung zwischen Alt und Neu bleibt scharf, überwunden wird sie an nur zwei Stellen mit schmalen, verglasten Brücken.
Das Miteinander inszeniert
Das KSI begrüßt seine Besucher nach dieser dramatischen Hinführung schließlich in einem großzügigen zweigeschossigen Atrium mit offenem Treppenhaus in der Abtei. Dieser Empfangsbereich, der auch als Lobby und Treffpunkt geplant und eingerichtet wurde, erschließt durch seine nun zentrale Lage alle Bereiche der Anlage. In drei der vier Flanken der Klosteranlage, die die Kirche umschließen, befinden sich auf zwei Etagen außer dem Annosaal und dem Studio 120 Gästezimmer. Obwohl sie auch unabhängig von den Angeboten des KSI zur Übernachtung gebucht werden können, war es Architekten und Bauherren wichtig, hier eine Atmosphäre entstehen zu lassen, die nicht an ein gewöhnliches Hotelzimmer erinnert. Schon der Eintritt in die ehemaligen Zellen wird durch die immense Wandstärke zum Teil der Geschichte, die dieses Haus erzählt. Die Zimmer, als Einzel- oder Doppelzimmer eingerichtet, wirken frisch und modern, klösterlich ist hier der bewusste Verzicht auf Unnötiges. Umso wirkungsvoller ist auch hier der Umgang mit Material, hellem Eichenholz für die von den Architekten entworfenen Möbel und die Reduktion auf drei Farben, Mitternachtsblau, Ochsenblutrot und Senfgelb, die sich in unterschiedlichen Kombinationen als Akzente eingesetzt in jedem Zimmer finden. Und manchmal sind es die kleinen Details, die die Funktionalität und Individualität eines Raumes maßgeblich steigern können, wie zum Beispiel das Doppelbett, das leicht zu zwei Einzelbetten auseinandergezogen werden kann oder das im Haus obligatorische Bücherregal, das vom Institut mit Lektüre bestückt wird. Während die Mönche in früheren Zeiten einen gemeinsamen Waschraum benutzten, verfügt nun jedes Zimmer über ein eigenes Bad.
Die Atmosphäre im ehemaligen Konvent ist auch heute noch ruhig und unaufgeregt, doch immer wieder laden kleine Sitznischen, der Kreuzgang und der Kirchgarten zum kontemplativen oder gemeinsamen Verweilen ein. Ein ganz besonderer Ort ist der Raum der Stille mit einem Fenster in die Kirche.
Überall in der ehemaligen Abtei erlebt man das harmonisches Miteinander von Alt und Neu, auch dort wo die Nutzungsänderung technische Einbauten zur Klimatisierung der Räume und mediale Ausstattung erfordert hat. Die Architekten haben mit wenigen Materialien und daraus abgeleiteten Farben einen Grundton entwickelt, der auch in de Gestaltung des Forums mitschwingt. Doch hier wird schon beim Passieren des gläsernen Steges der Wunsch deutlich, diesem aus dem Fels gewachsenen Bau eine Transparenz zu geben, die Innen wie Außen Beziehungen zwischen Räumen erzeugt. Vollkommen unberührt von der Nutzungsänderung blieben die sechs Priester der Unbeschuhten Karmeliten, die in das ehemalige Jugendgästehaus im östlichen Bereich der Klosteranlage eingezogen sind.
Auf Sicht gebaut
Die unterschiedlichen Nutzungen des Forums sind an der Gestaltung der Fassade ablesbar – auch dies ist eine mögliche Spielart der Transparenz, obschon keine wörtliche. Während ganz unten die Autos im steinernen Sockel verschwinden, bildet die gläserne Lobby auf der Erschließungsebene nach klassischer Gliederung die Krone des Gebäudes. Entsprechend würdevoll gefasst wird der 360°-Panoramablick mit einer begrünten Dachterrasse.
Die beiden darunter liegenden Ebenen bilden mit dem großen Restaurant und drei Tagungssälen das Herzstück des Forums. Auch in der Ansicht ist dies der dominierende Bereich der Fassade, ein steinernes Band, mit einer rhythmischen Gliederung aus großen liegenden Panoramafenstern und schmalen stehenden Öffnungen. Außergewöhnlich sind hier die schräg angeschnittenen steinverkleideten Brüstungen, die mit der Tiefe der Wand spielen und den Blick lenken.
Jede der beiden Publikumsebenen empfängt die Besucher in einem Foyer, fast schon dramatisch inszeniert ist hier der Blick in die Fuge zwischen den Bauten und die massive Stützmauer der Abtei. Auf der Ebene -1 (es wird vom Empfang nach unten gezählt) befindet sich das Restaurant mit einem großen, aber leicht in kleinere Séparées unterteilbaren Speisesaal, dem auch eine als Loggia ausgebildete Terrasse angegliedert ist. Der Konsequenz in der Fassadengestaltung ist es zu verdanken, dass auch die auf der gleichen Ebene liegende Restaurantküche eine wunderbare Aussicht hat.
Die darunter liegende Ebene -2 wird von vier unterschiedlich großen Konferenz- und Tagungsräumen eingenommen. Das Europa-Forum im Gebäudekopf biete als größter Saal Platz für Veranstaltungen mit bis zu 200 Personen. Alle Tagungsräume wirken klar und fokussiert, die notwendige hochmoderne Technik ist wie Garderoben und Möbellager in den Tiefen von Wänden und Decken verborgen.
Alle Büros der darunter liegenden Institutsebene sind direkt an der Fassade angeordnet, die rundum verglast und ein wenig eingerückt ist, sodass auf dem Sockel ein Umgang entsteht, der zum Aufenthalt in den Pausen einlädt.
Auch im Forum schwingt wie in den neu gestalteten Bereichen der Abtei der Grundton des harmonischen Materialkanons aus hellem Holz und Stein in jedem Raum in jeder Ansicht mit. Hier bleibt man bleibt bei der Sache, bleibt bei sich. Einzig ist es der Blick aus dem Fenster, dem man sich nicht entziehen kann – und so ist es doch gut zu wissen, dass die, die hier zusammen kommen um über Gott und die Welt reden, weder das eine noch das andere aus den Augen verlieren werden.
Uta Winterhager