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Nach der Flut ist vor der Flut

20. Mai 2025 by Uta

Ein altes Haus erzählt viele Geschichten. Die, die für das kleine Rote Haus mit der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 begann, hätte sein letztes Kapitel sein können. Doch es gab einen neuen Anfang. Lüderwaldt Architekten haben das Denkmal flutfest saniert, den kleinen Veybach sollte man aber weiterhin im Blick behalten.

Dies direkt vorab: anders als an anderen Orten, wo die Starkregen- und Hochwasserkatastrophe viele Menschenleben gekostet hat, blieben die damaligen Bewohner des Roten Hauses unversehrt, sie konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Der Veybach, der an gewöhnlichen Tagen nur drei Meter breit und etwas mehr als knietief ist, fließt direkt an dem kleinen Haus vorbei. Die Wasserkraft hatte man sich in Burgfey schon im 15. Jahrhundert für den Betrieb einer Mühle zunutze gemacht. Das Rote Haus, immer schon ein Wohnhaus, stammt aus der Zeit der lokalen Bleierzgewinnung. Heute liegt es an der L61 einen halben Kilometer vor dem Ortseingang von Mechernich, Nachbarn hat man hier nicht, gegenüberüber grasen die Schafe des Tierheims, hinten an den Garten grenzt eine Kläranlage. Das Haus ist solide gebaut, es hat eine kompakte Form, ein Geschoss mit Satteldach, Gewölbekeller. Der charakteristische, rötlich erscheinende Buntsandstein aus der Eifel gab ihm seinen Namen, die 70 Zentimeter starke Mauern Halt über Jahrhunderte. Die Fensteröffnungen sind nicht groß, mit grünen Holzläden ganz zu schließen, es gibt nur eine Tür. Wo wenig ist, geht auch wenig kaputt, das scheint man hier schon lange gewusst zu haben.

Als der Veybach vor knapp vier Jahren in kürzester Zeit gewaltig anschwoll, stand das gesamte Erdgeschoss unter Wasser, die solide Struktur hat dem standgehalten. Innenliegendes Fachwerk, Haustechnik, Boden sowie sämtliche Einbauten nicht. Obwohl das Haus bewohnt wurde, war es bereits vor dem Hochwasser in keinem guten Zustand mehr. Insbesondere das Dach hatte dringenden Sanierungsbedarf.

Lohnt sich das hier noch einmal aufzubauen? Natürlich stellte sich der Bauherr, der selbst nicht in dem Haus wohnt, diese Frage. Aber er entschied sich doch für den Erhalt des Denkmals, das seitdem als Ferienhaus vermietet wird, und beauftragte das ihm bereits durch die Zusammenarbeit an anderen Sanierungsprojekten bekannte Kölner Büro Lüderwaldt Architekten mit der Sanierung. Kostenbewusst sollte geplant werden und nachhaltig, was hier nicht nur ressourcenschonend meint, sondern insbesondere haltbar und pflegeleicht. Der Schlüssel dazu war eine vermeintliche Einfachheit, hinter der jedoch auf Seiten der Planer und Handwerker viel Erfahrung im Umgang mit historischer Substanz steckt.

Geplante Schäden

Bei den durchgeführten Maßnahmen wurde zwischen allgemeiner Sanierung und Beseitigung der Hochwasserschäden unterschieden, denn letztere unterstützte das Land Nordrhein-Westfalen mit Fördermitteln. Die Lage des Hauses, 7,5 Meter vom Bachlauf entfernt, das Fußbodenniveau nur einen Meter über dem Wasser bei normalem Pegel zwingt zur Auseinandersetzung mit der Hochwassergefahr. Bei allen Maßnahmen, die getroffen werden, galt es dem Wasser möglichst wenig Angriffsfläche zu geben, so zu planen und zu bauen, dass unvermeidbare Schäden so kalkuliert werden, dass sie einfach behoben werden können, ohne in die Substanz eindringen zu müssen.

Auch wenn man nie weiß, was einen im Altbau noch überrascht, planen Lüderwaldt Architekten auch dabei immer zunächst alles „auf Papier“, um das Haus im Ganzen zu verstehen. Notwendige Anpassungen, sind dann, wenn die Arbeiten einmal angefangen haben, leichter zu integrieren, Konsequenzen für das gesamte Projekt besser einzuschätzen. Unvermeidbar war es dennoch, dass Dirk Lüderwaldt fast jeden Tag auf der Baustelle war. Der solide Gewölbekeller gab und gibt dem Roten Haus große Standfestigkeit, ungünstig war allerdings der Zugang aus dem Wohnbereich im Erdgeschoss über eine offene Treppe. Lüderwaldt Architekten haben deshalb eine horizontale Trennung der Bereiche mit einer neuen Bodenplatte geplant. Der Kellerraum, in dem immer feucht bis nass ist, ist zur Wartung nun nur noch durch eine Klappe auf der hinteren Terrasse zugänglich.

Eine erneute Flutung des Erdgeschosses galt es in jedem Fall zu vermeiden. So wurde der Boden des Erdgeschosses wird mit einer Ortbetonplatte auf Dämmung verstärkt. Die Bodenplatte ist gegen Aufschwimmen mit dem Mauerwerk verzahnt, mit mineralischer Dichtungsschlämme versiegelt, die großformatigen Platten aus Kunststein sind darauf verklebt. Das Erdgeschoss liegt nun drei Stufen erhöht immerhin eineinhalb Meter über dem Bach auf einem sichereren Niveau als zuvor. Auf die angedachte Spundwand in der Laibung der Eingangstür konnte so verzichtet werden, die Haustür wurde allerdings gegen ein solideres Modell ersetzt. Die 70 Zentimeter starken Natursteinwände konnten nach der Durchfeuchtung austrocknen und mussten nur punktuell repariert werden. Bis zur Höhe der Fensterbrüstungen wurde das Erdgeschoss von innen als weiße Wanne gegen eindringendes Wasser gesichert, darauf liegen nun mineralische Dämmung und diffusionsoffener Kalkputz mit mineralischem Anstrich. Nachdem der durchfeuchtete Putz von der Decke genommen wurde, bleiben die historischen Holzbalken sichtbar.

Weniger für mehr

Die Flut hatte auch das Fachwerk in den Innenwänden des Erdgeschosses vollkommen zerstört, so dass die Statik neu gedacht werden musste. Gelöst wurde die Situation mit einem querlaufenden Stahlbalken unter der Decke und einer freistehenden filigranen Stütze in den dem nun vollkommen geöffneten Einraum. Wohn-, Ess-, Koch-, und Eingangsbereich reihen sich nun um den vor dem historischen Kaminblock stehenden neuen Ofen. Sechs Fenster hat der große Raum, ein oder zwei pro Wand, die tiefen Fensternischen sind schöne Sitzplätze mit Blick auf den Veybach und den Garten. Die weißen Kunststoffsprossenfenster waren nach der Flut nicht „beschädigt genug“, um sie zu entsorgen. Dirk Lüderwaldt tun sie ein wenig weh, aber da das Budget einen Ersatz nicht mehr hergab, wurden sie gereinigt und repariert und werden wohl noch einige Zeit halten.

Die neuen Elektroinstallationen, Steckdosen und Lichtschalter werden auf dem freigelegten Mauerwerk oder dem neuen mineralischen Putz geführt, so sind sie einfach zugängig, sollte es, was nicht auszuschließen ist, wieder einmal Flutschäden geben. Die neue Treppe, die steil vom Erdgeschoss ins Obergeschoss führt, ist vollständig aus Stahl, die Verbindungen sind geschweißt, die Schweißnähte sichtbar, gleiches gilt auch für das Geländer, der Handlauf ist allerdings handschmeichelnd aus Holz.

Im Obergeschoss liegen auf hochwassersichtbarem Niveau zwei Schlafzimmer, ein kleines Badzimmer sowie ein Haustechnikraum, im spitzen Giebel ein kleiner Lagerraum. Da im Obergeschoss nicht mehr mit Wasserschäden gerechnet werden muss, konnten die Dielenböden mit kleinerem Flickwerk, geschliffen und geölt erhalten werden. Gleiches gilt auch für die hölzerne Konstruktion des Dachstuhls, der mit einzelnen zimmermannsmäßig sehr ästhetisch ausgeführten Reparaturen erhalten werden konnte und in den Schlafzimmern wirkungsvoll sichtbar ist. Das Dach wurde vollständig erneuert. Da gleichzeitig auch die Wände auf der Innenseite gedämmt werden mussten, wurden die Einblasdämmung zwischen die Sparren (Dach) und Holzständer (Wände) eingebracht, mit Holzfaserzementplatten abgeschlossen und mineralisch gestrichen.

Das Rote Haus steht nun wieder sicher, ist mit planerischer Expertise und handwerklichem Können vielseitig nutzbar, dabei nicht nur robust und pflegeleicht, sondern äußerst charmant. Seine Geschichte wird fortgesetzt.

Dieser Beitrag erschien in der db 05.2025 (Metamorphosen)

Posted in: db deutsche bauzeitung Tagged: Denkmal, Eifel, Jahrhundertflut, Konversion, Lüderwaldt Architekten, Naturstein, Uta Winterhager, Winterhager

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