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Die endlose Performance

2. August 2021 by Uta

PXL-MAD School of Arts in Hasselt BE von a2o architecten: Auffällig im Stadtbild des kleinen ostbelgischen Städchens Hasselt sind eigentlich die vielen Studierenden. Anfang Juli jedoch ist es deutlich ruhiger als sonst, es sind Sommerferien. Auch der Campus Elfde Linie der Hogeschool PXL, der nördlich des Stadtkerns zwischen innerer und äußerer Ringstraße liegt, ist ausgestorben. Über die Jahrzehnte sind dort zahlreiche Institute und Hochschuleinrichtungen zusammengekommen, aber nicht wirklich zusammengewachsen. Und es scheint so, als sei die Hochschule, die 2013 aus zwei Schulen fusionierte, grade noch dabei, sich großräumlich zu sortieren. Mit dem Neubau der MAD School of Arts auf einem parallel zur Ringstraße verlaufenden Grundstück erhielt der Campus 2020 eine klare Nordkante. Im Vorbeifahren erhascht man durch das dichte Grün der Platanenreihe nur ein vages Bild des langen Riegels. Die warmen Farbtöne des Backsteins, die immer mehr zu werden scheinen, je näher man dem Gebäude kommt, sind hier nicht fremd. Der lokale Baustoff hat das historische Ortsbild stark geprägt. Doch a2o planten den Neubau der Kunsthochschule keineswegs traditionell, sondern zeitgemäß und zukunftsfähig und erzeugten so eine Ansicht, die auf wundersame Weise zwischen gestern und morgen oszilliert.

Der Hasselter Stammsitz von a2o liegt rund 300 Meter Luftlinie entfernt von der PXL-MAD in einem zum Büro umgebauten historischen Silo direkt am Albert-Kanal. 2015 konnte sich das Büro in einem international ausgeschriebenen Wettbewerb für den Neubau der Kunstakademie durchsetzen, ein gewisser Heimvorteil im Verständnis des Ortes ist hier also nicht auszuschließen. Zu entwerfen war ein Ensemble aus drei Gebäuden, einem bestehenden und zwei Neubauten. Realisiert wurden die in zwei Bauabschnitten, zunächst die Kunsthochschule (7.329 qm BGF) darauffolgend das 12stöckige Studentenwohnheim  (6.425 qm BGF), die Flächen dazwischen, früher weiträumige asphaltierte Parkplätze mit einzelnen Bäumen, wurden einladend begrünt und bepflanzt. Dass die beiden Gebäude in Kubatur und Materialität eine große Familienähnlichkeit zeigten und über ihre gemeinsame Mitte erschlossen werden, trägt zur Wahrnehmung des Zwischenraumes als Campus bei.

Ansicht Straßenseite links, Campusseite rechts der PXL_MAD von a2o architecten im ostbelgischen Hasselt © Fotos Uta Winterhager

Der Neubau der PXL-MAD ersetzt das 50 Jahre alte Ateliergebäude „De Lange Gang“ wieder mit einem 100 Meter langem Riegel, der an dieser Stelle städtebaulich sinnvoll ist. Organisiert ist er jedoch nicht mehr als Addition von Ateliers an einem Flur, sondern als ein dreidimensionales, flexibel bespielbares Raumsystem. Gegliedert wird er durch drei offene Treppenanlagen mit Sitzstufen und das große Volumen eines siebenstöckigen Turmes, der ein wenig außermittig quer auf dem Unterbau sitzt. a2o errichteten eine industriell anmutende Ortbetonstruktur mit großem Ausbaupotential. Das Gebäude soll sich in einem andauernden Zustand des Schaffens und der Veränderung befinden, schreiben die Architekten und sehen darin eine Analogie zum künstlerischen Arbeiten: the endless performance. Konkret bedeutet dies, dass in den beiden Etagen leichte Trennwände dort eingezogen werden können, wo sie benötig werden. Die wegen der bei vielen Prozessen verwendeten Chemikalien aufwendige Haustechnik des  mit nachhaltiger Technik vollklimatisierten Gebäudes wurde so geplant, dass sie dem Wandlungsprozess folgen kann. So gliedern heue Wände aus Holz und Glas die druckgrafischen Werkstätten, die Ateliers für Malerei und Skulptur, für Keramik, Schmuckdesign und Goldschmiedekunst. Auf der dem Campus zugewandten Seite wächst die Betonstruktur nach außen, so dass die Ateliers und Werkstätten dort auf die Terrasse und in die Arkade darunter hinauswachsen können. Im 1. Stock, der eine lichte Höhe von xx Metern hat, können zusätzlich Mezzaningeschosse eingezogen werden. Die Ausstellungsflächen sind temporär mit weißen Wänden in kleine Kabinette gegliedert, in den Gebäudeköpfen gibt es Bereiche, die mit geschosshohen Vorhängen manuell zu intimeren Räumen geschlossen werden können. Eine Zäsur in dem großen Gefüge, in dem jeder und jede zur gleichen Zeit Kunst schafft und die Schaffensprozesse der anderen miterlebt, bildet die Schnittstelle des Turmes mit dem Riegel, hier befindet sich im 1. Stock ein großer, auch in der Ansicht durch seine Höhe deutlich herausgehobener Saal mit breiter Fensterfront zu Straße. Die Nutzung von Tageslicht im Gebäude ist nicht nur ein nachhaltiger Ansatz, sondern auch dem künstlerischen Arbeiten sehr zuträglich, wenn Einfall und Intensität sorgsam kontrolliert werden. Auf dem langen Riegel sitzt deshalb eine an drei Seiten bündige, zur Straßenseite um ein Feld eingerückte Laterne mit einem umlaufendem Oberlichtband über das auch der zentrale Bereich natürlich belichtet wird.

Kaum etwas gibt die backsteinerne Hülle über die dahinterliegenden Nutzungen preis, aber sie verspricht durch ihre bewegte Textur, die Muster und Rhythmen und unterschiedlichen Öffnungsgrade ein lebendiges Inneres. Die handwerklich in einem kohlebefeuerten Rundofen im nahegelegenen Maaseik aus regionalen Rohstoffen hergestellten Ziegel der Vormauerschale (Terca Linaqua Viola) erhalten durch den traditionellen Brand eine breite Farbvarianz von Hellorange über Rost bis Dunkelrot mit teilweise hellgrauen oder anthrazitfarbenen Schleiern. Die Oberfläche der Steine ist niemals glatt, höchste Perfektion ist erreicht, wenn jeder Stein ein Unikat ist. Mit diesem kostbaren Material, rostfarbenen Aluminiumpaneelen und Glas entwickelten a2o ein Fassadensystem mit zahlreichen Spielarten. So wir die Gebäudehülle allen sämtlichen Anforderungen der Belichtung und Belüftung, der Öffnungen und Anschlüsse ohne gestalterische Brüche gerecht.

Innenansichtern der PXL-MAD während der Semesterferien © Fotos Uta Winterhager

Der lange Riegel sitzt auf einem niedrigen Betonsockel. Im Erdgeschoss erzeugt der Wechsel aus geschosshoher Verglasung mit einer Tür pro Feld im Wechsel mit rostroten Aluminiumpaneelen einen eignen Rhythmus mit enger Taktung durch die vertikale Gliederung der geschlossenen Felder.

Die Ziegelhaut der zweischaligen Fassade sitzt wie die Fenster und Aluminiumpaneele in der Ebene vor Betonstruktur. Sie wirkt wie ein straffer Überzug, in den Bereichen ohne Öffnungen wird keine Aussage mehr über die Anzahl oder Höhe der Geschosse gemacht. Verwendet wurden Ziegel im BNF-Format (235 x 115 x 70 mm) und im Schouterden-Format (256 x 90 x 43 mm). Auf der Straßenseite überzieht ein Reliefmauerwerk die geschlossenen Bereiche mit feinen horizontalen Linien. Hier wurden die Ziegel des flacheren Formats als Binder vermauert, so dass die Köpfe etwa 2 cm aus der Fassade vorspringen. Die Fensterbänder im 1. Obergeschoss erhalten mit Aluminiumprofilen eine feine vertikaler Gliederung. Vor einem Teil der Fensteröffnungen bietet Filtermauerwerk Licht- und Sichtschutz. Um die filigrane Struktur zu sichern, folgen auf zwei bis vier Reihen auf Lücke gesetzter Steine zwei geschlossene Reihen. Dazwischen eingemauert sind horizontale Edelstahlverstärkungen, die an verdeckt dahinterliegenden vertikalen Profilen verankert wurden.

Die dem Campus zuwandte Seite ist die Südseite. Der Turm, in dem sich auch die Räume des PXL-IT Departments befinden, ist hier vollkommen geschlossen. Dieser gewaltigen Ziegelfront im wilden Verband aus Läufern und Bindern wird mit scheinbar zufällig platzierten Vorsprüngen aus jeweils vier quer aufrecht gestellten Schouterden-Steinen das allzu Flächige genommen. Für die Galerieräume und Werkstätten muss das natürliche Licht den individuellen Anforderungen spontan adaptierbar sein, nur so ist die Flexibilität der Räume auch praktikabel. Vor den großen Glasflächen laufen bewegliche Sonnenschutzelemente aus perforierten Aluminiumplatten in Schienen, die elektronisch vor die geschlossenen Fassadenelemente bewegt werden können. Wer noch mehr Licht braucht, verlegt seinen Arbeitsplatz direkt auf die lange Terrasse.

Überall in der PXL-MAD sind Zeugnisse des kreativen Schaffens zu finden, Halbfertiges, Verworfenes und Ausgestelltes. Nicht nur der Estrich in den Werkstätten, auch die hellen Eichenböden der Galerie haben hier und dort schon mal Farbe abbekommen. Für Luc Vanmuysen, Gründungspartner von a2o ist das kein Grund zur Aufregung, das Gebäude kann das gut aushalten, auch das sei nur eine von vielen Wandlungen, die es von Tag zu Tag und von Tag zu Nacht erlebt.

Posted in: Bauwelt Tagged: a2o, Belgien, Brick, Fassade, Hasselt, Kunstakademie, Ziegel

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